Eine Branche, die von den notwendigen Corona-Maßnahmen besonders hart getroffen ist, ist der Tourismus und dort wiederum die Luftfahrt. Denn während das Hotellerie- und Gastgewerbe zumindest auf heimische Sommer-Urlauberinnen und -Urlauber hoffen darf, führen geschlossene Grenzen zwangsläufig dazu, dass der Flugverkehr nahezu gänzlich zum Erliegen kommt.
Für die Austrian Airlines bedeutete das in den letzten Wochen einen Passagierrückgang von 100%, lässt man die zahlreichen vom Außenministerium organisierten Rückholflüge außer Acht. Wenn das, was eine Fluglinie ausmacht, gar nicht mehr stattfinden darf, ist es nur logisch, dass man um staatliche Unterstützung ansucht.
767 Millionen Euro – der Gedanke an das gleichnamige Modell von Boeing liegt nahe – sind eine stolze Summe. Jeder der mehr als 7.000 Arbeitsplätze der AUA wäre damit rund 100.000 Euro wert. Wenn wir daran danken, dass das dafür aufgewendete Steuergeld ja das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ist, würde eine „Rettung“ jede Österreicherin und jeden Österreicher knapp 86 Euro kosten, das ist viel.
Die AUA ist wichtig
Die Frage, die sich bei solchen Zahlen zwangsläufig stellt: Soll die AUA überhaupt gerettet werden? Ich denke, ja.
Man sollte bei der Diskussion allerdings den verhohlenen Patriotismus weglassen, der immer mitschwingt, wenn es um die rot-weiß-rote Fluglinie, den Flag Carrier oder die roten Uniformen der Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter geht, die für viele, so scheint es, fast schon eine Art Nationalheiligtum sind.
Ganz nüchtern betrachtet, befördert die Fluglinie jährlich fast 14 Millionen Passagiere, die meisten davon von und nach Wien. Insgesamt ist die Lufthansa-Group für fast 60 Prozent des Passagieraufkommens in Wien zuständig und dafür hauptsächlich dafür verantwortlich, dass es den Flughafen in seiner Dimension überhaupt gibt. Der Airport, der selbst knapp 4.500 Beschäftigte hat, spricht von mehr als 70.000 Arbeitsplätzen, die der Standort zumindest indirekt generiert. Für die gesamte Ostregion ist der Flughafen, so umweltschädlich er auch sein mag, wirtschaftlich enorm bedeutend.
Gegnerinnen und Gegner einer Staatsrettung argumentieren, dass Wien als immerhin fünftgrößte Stadt der Europäischen Union von solcher Bedeutung ist, dass sie auch ohne die AUA kaum verwaisen würde. Das ist sicher richtig, nur hat die AUA mit ihrem vergleichsweise großem Langstreckennetz und den vielen Verbindungen nach Osteuropa eine gewaltige Rolle, die andere Airlines eher nicht übernehmen würden.
Seit Jahren sind die Austrian Airlines etwa die einzige Fluglinie, die Direktflüge in die USA anbieten. Und auch wenn Reisende natürlich auch über München, Frankfurt, London oder Amsterdam fliegen könnten, sollte die AUA diese Strecken nicht mehr anbieten, wirklich förderlich für die „Weltstadt Wien“ mit ihren vielen internationalen Tagungen und Kongressen ist das eher nicht, vom Tourismus ganz abgesehen.
Tatsache ist doch: Das Fluggastaufkommen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Und so umweltschädlich die Luftfahrt auch ist, eine insolvente AUA wird nicht dazu beitragen, dass weniger Menschen in ein Flugzeug steigen.
Die Menschen werden auf andere Flughäfen ausweichen, oder öfter umsteigen, was übrigens deutlich umweltschädlicher ist als Direktverbindungen an sich. Oder aber – und das wäre ein sehr wahrscheinliches Szenario – die Preisschlacht anderer Fluglinien in Wien erhöht sich weiterhin. Schon jetzt liefern sich Laudamotion (Ryanair), easyJet, Wizz, Level und andere Billigairlines einen erbitterten Preiskampf am Flughafen Schwechat, der in der Vergangenheit schon dazu geführt hat, dass Flüge um einen Cent angeboten wurden. Dass dieser Wettbewerb nicht nur fatale Auswirkungen auf die Umwelt hat, sondern sich auch auf die ohnedies schon prekären Arbeitsbedingungen des Personals und oft genug auch auf die Sicherheit der Passagiere auswirkt, muss ich nicht sagen, wobei letzteres ein sicher spannendes Thema für einen weiteren Blogbeitrag wäre.
Mehr Staat, weniger privat
Dass sich ausgerechnet ein Grüner vehement für die Rettung einer Fluglinie ausspricht, mag widersprüchlich klingen, doch neben den schon erwähnten Gründen ist es auch so, dass wichtige Infrastruktur sowieso in öffentlicher Hand sein sollten. Wenn so viel Steuergeld fließen soll, muss in den Verhandlungen ganz offen über eine staatliche Beteiligung gesprochen werden, gerade wenn die Lufthansa quasi mit ihrem eigenen Konkurs droht. „Mehr Staat, weniger privat“, um das Dogma von Wolfgang Schüssel etwas abzuwandeln. Eine (teil)staatliche Airline hätte auch einen entscheidenden Vorteil: Aktive Mitsprache.
Die Regierung könnte dann ein Ende der Inlandsflüge erwirken und auch die längst überfällige Einstellung kurzer Flüge in ausländische Städte angehen, die ohnedies sehr gut mit dem Zug erschlossen sind. Verbindungen nach München, Prag, Budapest und co könnten dann der Vergangenheit angehören.
Und auch zum Thema Dekarbonisierung habe ich von der AUA bislang nichts gehört. Auch das muss sich ändern. Hier braucht es eine klare Klimastrategie.
Die Einführung einer Kerosinsteuer, die Erhöhung der Flugticketabgabe und faire Branchenkollektivverträge sind weitere wichtige Punkte, die Österreich angehen muss, aber zum Teil nur auf europäischer Ebene umgesetzt werden können. Auch hier wäre von der Regierung mehr Mut gefordert, denn wann wenn nicht jetzt sollte man so etwas angehen. Die Luftfahrt ist weltweit in einem noch nie gesehenem Ausmaß gelähmt: Jetzt wäre die Gelegenheit, die gesamte Branche schrittweise zu reformieren und Klimamaßnahmen umzusetzen.
Abschließend bemerkt ist es schade, dass es in Europa derart viele, zum Teil staatlich finanzierte Fluglinien gibt, die gegeneinander konkurrieren. Was beim Flugzeughersteller Airbus schon am Boden gut funktioniert, wäre auch für die Luft interessant: Eine Fluglinie als gemeinsames europäisches Projekt mit Beteiligung und Mitsprache aller Staaten. Weniger Konkurrenz, weniger Preiskampf, weniger Flüge könnten die Folge sein. Dass so etwas wohl nie Realität werden würde, alleine schon wegen des Einwands der Wettbewerbsbehörden, versteht sich von selbst. Insofern verzeihe man mir meinen utopischen Exkurs.
Die Luftfahrt wird nie grün werden, eine staatliche Mitsprache könnte aber längst notwendige Änderungen bewirken.