Im neuen Leitfaden zur Bundespräsidentschaftswahl des Innenministeriums findet sich auch folgende Passage:

(Screenshot: Martin Thür)
Journalisten dürfen künftig keine Aufnahmen mehr von der Stimmabgabe Personen öffentlichen Interesses machen, denn das könnte ja Einfluss auf das Wahlergebnis haben – oder so…
Langsam wird es lächerlich. Denn Medien wie Öffentlichkeit haben selbstverständlich ein Interesse an solchen Bildern und bisher war das auch noch nie ein Problem.
Nun ist plötzlich von “unbefugten Personen” die Rede, die das Wahlergebnis beeinflussen könnten.
“Auf Punkt und Beistrich” müsse die Wahlordnung eingehalten werden, stellte VfGh-Präsident Holzinger am 1. Juli bei der Verkündung des Erkenntnis fest. Ja, es besteht wohl kein Zweifel darüber, wie wichtig es ist, dass Regeln und Anweisungen eingehalten werden, sodass ein korrektes und unverfälschtes Ergebnis zustande kommt.
Doch ich befürchte, dass dieses Pochen auf eine Scheinkorrektheit der Wahl uns allen erneut zum Verhängnis werden kann und eine weitere Wahlanfechtung ermöglicht, wenn auch nur irgendwo in Österreich diese verkomplizierte Ordnung nicht peinlich genau eingehalten wird.
Immer wieder kommt es vor, dass Menschen sich im Wahllokal irren, wenn sich – was in Städten keine Seltenheit ist – mehrere Lokale in demselben Gebäude befinden. Und bislang war es auch kein Problem, dass die Wahlbehörde ihnen diesen Irrtum freundlich mitteilte. Wäre nicht alleine das schon eine “rechtswidrige Anwesenheit unbefugter Personen”?
Was, wenn auch nur ein einziger Wähler sein Kuvert selbst in die Urne wirft, statt es – wie es ganz korrekt vorgesehen ist – dem Wahlleiter zu übergeben?
Was, wenn ein Wähler auf der in der Wahlzelle angeschlagenen Kundmachung Zeichen hinterlässt und die Wahlbehörde diese nicht sofort entdeckt und entfernt? Könnte das nicht auch nachfolgende Wähler in ihrer Entscheidung beeinflussen und eine erneute Anfechtung möglich machen?
Das Problem war nie, ob Medien (nach Absprache!) anwesend waren, oder ob Leute ihr Kuvert selbst einwarfen, sondern einfach die Tatsache, dass manche Wahlleiter und -beisitzer nicht ihrer Arbeit nachgekommen sind.
Vielleicht sollte der Gesetzgeber andenken, die ganze Wahlordnung neu zu schreiben. Denn durch solche Reglementierungen, die niemandem etwas bringen, und den Konsequenzen, wenn diese auch nur irgendwo nicht ganz exakt eingehalten werden, schafft sich eine Demokratie selbst ab.
Ich mag ein juristischer Laie sein, aber wenn der Verfassungsgerichtshof eine unbestritten nicht-manipulierte Wahl wegen einiger Formfehler einmal aufgehoben hat, kann das auch ein zweites Mal passieren.
Darum: Weg mit solchen unnötigen Regeln und Vorschriften, die der Wahlbehörde ihre ohnehin anstrengende Arbeit und überhaupt allen Beteiligten den Wahltag nur noch weiter erschweren.
Menschen sind Menschen und keine perfekt getrimmten Maschinen. Wo Menschen Arbeiten, können Fehler passieren. Wichtig ist es sicherzustellen, dass keine “großen”, das Ergebnis verändernden Fehler, passieren können. Doch mit solchen Lappalien sollten wir uns gar nicht erst beschäftigen müssen.
Auch im Sinne der Öffentlichkeit und Transparenz sollten Medienvertreter, selbstverständlich nach Absprache, Zugang zu ausgewählten Wahllokalen haben. In anderen Ländern ist das auch ohne Probleme möglich, doch in Österreich nun offenbar nicht zu.
Einmal mehr siegt die Beamtenbürokratie über die Vernunft und erschwert Dinge, die eigentlich so simpel wären. Wie schade.