Danke, Eva!

Ich verfasse ja selten längere Kommentare, aber aus diesem Anlass muss das einfach sein. Was ich heute gehört habe, macht mich menschlich wie politisch traurig, betroffen, nachdenklich aber auch hoffnungsvoll.

Wo fange ich an?

Als Glawischnig dritte Präsidentin des Nationalrates wurde, war ich zwölf Jahre alt, als sie Van der Bellen als Bundessprecherin nachfolgte, gerade einmal 14. Und heute, mit 23 Jahren, bin ich selbst Aktivist, Funktionär und sogar Angestellter bei den Grünen. Mittlerweile vergeht kein einziger Tag, an dem ich nicht mit Grünen, über die Grünen spreche oder mit ihnen an Projekten arbeite.

Da war immer Eva Glawischnig

Ich kann mit Fug und Recht behaupten, Van der Bellen und (später) Glawischnig haben mich zu den Grünen gebracht, aber zugleich stelle ich mir gerade die Frage, was damals, vor vielen Jahren, der entscheidende Moment war, an dem ich mir selbst gesagt habe: “Ich wähle die Grünen, sobald ich das kann und darf.”

Wahrscheinlich gab es nicht diesen einen Moment, doch wenn ich mich zurückerinnere, war da immer irgendwie Eva Glawischnig.

Ich fand sie schlichtweg beeindruckend, sie war stark, sie vermochte sich als eine der wenigen Frauen in der Politik gegen die vielen männlichen Anzugträger mit klugen Worten und haltbaren Argumenten durchzusetzen. Das alles ergab irgendwie Sinn, es war kohärent und vernünftig, als hätten die Grünen als einzige die Probleme der Menschen verstanden und geeignete Lösungen dazu gefunden. Mir war das stets sympathisch, weil es einfach glaubwürdig war und als junger, womöglich naiver, Mensch wollte ich Politikerinnen und Politikern Glauben schenken können.

Und das tue ich heute noch. Ich bin nach wie vor zutiefst überzeugt von den Ideen, Konzepten, Idealen und Visionen der Grünen und ebenso hatte ich bis zuletzt volles Vertrauen in Eva Glawischnig.

Es ist verdammt brutal

Dass sie auch gewisse Dinge besser machen hätte können, versteht sich von selbst. Aber im Nachhinein sagt sich so etwas immer einfach und als Nicht-Bundessprecher und Nicht-Klubobmann noch einfacher.

Wenn wir aus Glawischnigs heutigem Statement etwas mitnehmen können, dann vor allem dieses eine, dass es nie einfach ist in der Politik, im Gegenteil:

Das politische Geschäft ist verdammt brutal, es ist unmenschlich und verzeiht keine Fehler oder alleine Anzeichen von Schwäche. Sogar ich als junger, vergleichsweise wenig Verantwortung tragender Funktionär musste das schon öfters erleben und beobachten.

Ich möchte mir nicht ausmalen, wie es Eva in all den Jahren damit ergangen sein mag – zwei Jahrzehnte in der Politik, neun Jahre lang an der Spitze der Grünen und damit der Öffentlichkeit ausgesetzt wie kaum Menschen und vor allem Frauen in diesem Land.

Eva hat es heute selbst gesagt:

„Ich war sehr oft die einzige Frau in diesen politischen Runden. Ich war auch die einzige Frau unter den Parteichefs, unter den Klubobleuten, in politischen Diskussionen. Und ich behaupte: Wenn es mehr Frauen in Führungspositionen gäbe, dann hätten wir auch eine andere politische Kultur.“

Wie wahr. Unser Umgang (als breite Gesellschaft) mit Politikern, aber vor allem Politikerinnen sollte uns ernsthaft zu denken geben.

Am politischen Diskurs muss sich etwas ändern

So oft kommt es nur auf das Aussehen an oder auf die Anzahl der Kinder. Und besonders nach den großen Flüchtlingsbewegungen 2015 haben untergriffige und menschenverachtete Kommentare im Netz massiv zugenommen. Besonders Eva Glawischnig wurde Opfer dieser und sehr oft ging es dabei nicht darum, das sie grün ist, sondern lediglich um ihr Geschlecht.

Dieser Umgang ist ein ganz Widerlicher. Auch die Medienberichterstattung ist oftmals sehr sexistisch und (bewusst oder unbewusst) bösartig, zynisch und gemein.

Nun ist wieder Wahlkampf aber vielleicht sollten wir uns alle in ruhigeren Zeiten Gedanken darüber machen, warum innerhalb einer Woche gleich zwei Parteiobleute ihre Funktionen zurückgelegt haben, warum Spitzenpolitikerinnen und -politiker eine so enorm große Last mit sich tragen, bis sie irgendwann, erdrückt von Arbeit, unerfüllbaren Erwartungen, dem Druck aus eigenen Parteien, den Medien und der Öffentlichkeit, zurücktreten.

Eva Glawischnig sagte heute, ihr Job in der Spitzenpolitik erfordere 24 Stunden Verfügbarkeit, sieben Tage die Woche und sei für sie nicht mehr mit der Verantwortung für ihre Familie vereinbar.

Manche werden sagen, sie habe sich das ausgesucht und wer in die Politik geht, müsse doch wissen, dass es hart sei. Aber ich verwehre mich dagegen, das zu akzeptieren.

Am politischen Diskurs, aber auch an der Berichterstattung muss sich etwas ändern, denn es ist schade, wenn das Geschäft so hart ist, dass für gute Poltikerinnen und Poltiker kein Platz mehr darin ist. Es ist schade, wenn wir die Politik nur noch an der Professionalität ihrer Inszenierung messen und nicht an tatsächlichen Inhalten, Taten und Worten. Und es ist schlicht unfair, wenn wir von der Politik eine 24/7-Bereitschaft erwarten und einzelnen Personen die Schuld an all unseren Problemen zuschieben.

Angela Merkel, Emmanuel Macron, Theresa May, Jean-Claude Juncker, Paolo Gentilioni, … Sie alle haben keine Kinder, nicht dass das wichtig wäre. Aber es zeigt doch, wie schwierig Spitzenpolitik und Familie oft zusammen gehen. Und auch daran muss sich etwas ändern.

Es geht weiter

Eva Glawischnig war und ist eine große Politikerin, stets für ihre Ideale eingetreten und sich dabei immer treu geblieben. Sie ist eine große Frau und – das weiß ich gewiss – ein Vorbild für viele junge Frauen, wie etwa auch Barbara Prammer und Sabine Oberhauser.

Mich persönlich macht Glawischnigs Abgang traurig. Sie wird eine Lücke bei den Grünen hinterlassen. Doch zugleich freue ich mich auf die Zukunft innerhalb dieser großartigen Partei, auf die vielen Chancen und Herausforderungen, die vor uns liegen. Es sind schwierige Zeiten und wir haben die für die nächsten Jahre einmalige Möglichkeit, zu entscheiden in welche Richtung dieses Land in der Zukunft geht. Es ist unfassbar spannend und wichtig und ich bin sehr dankbar, mit so einem tollen Team und so guten Leuten dazu beitragen zu dürfen.

Danke für alles!

Liebe Eva, erst diesen Montag habe ich in einem Woman-Interview gelesen, du möchtest nicht als Politikerin in Pension gehen, sondern früher oder später wieder im NGO-Bereich oder auf europäischer Ebene arbeiten. Ich fände das großartig und wünsche dir für deine weitere berufliche, aber auf für deine private Zukunft alles erdenklich Gute.

Du hast die österreichische Politik geprägt wie kaum eine andere Frau und auch bei den Grünen wirst du fehlen. Du hast mir den Glauben gegeben, dass es möglich ist, etwas zum Positiven zu verändern und den Mut, selbst anzupacken und aktiv zu werden. Von ganzem Herzen sage ich dir daher Danke für deine unermüdliche, unablässige und herausragende Arbeit. Danke für alles!

Um es mit deinen Worten zu sagen:

„Wir werden uns mit Sicherheit irgendwann im Leben noch einmal begegnen.“

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