“Österreich, du Arsch!”

Österreich ist ein Land mit atemberaubenden Landschaften, hohen Bergen, klaren Seen und schönen Städten. Ein demokratisches, neutrales und freies Land. Ein – allgemein betrachtet – reiches Land mit sauberem Trinkwasser, kostenlosen Schulen und einer allgemein zugänglichen medizinischen Versorgung. Ein Land mit hoher Lebensqualität, in dem Meinungs- und Pressefreiheit gesetzlich verankert sind – insgesamt also ein tolles, großartiges Land.

Das tägliche Österreich

Und doch ist dieses Land hie und da auch ein ziemlich ungutes Land, nämlich dann wenn die besagte Pressefreiheit als unseriöser, tendenziöser und parteipolitisch motivierter Journalismus gelebt wird und an die Stelle der Meinungsfreiheit rassistische, sexistische und beleidigende Kommentare treten.

Genau das passiert täglich. Zusammen mit einer Regierung, die Minderheiten gegeneinander ausspielt, die Gesundheit der Menschen aufs Spiel setzt und deutschnationale Burschenschafter beinhaltet, die rechtsextreme und nationalistische Gesinnungen verteidigen, kann man sagen, dass dieses tolle Österreich manchmal auch ganz schön arsch sein kann.

Doch hier geht es nicht darum, ob oder unter welchen Umständen man sein eigenes Land als “Arsch” bezeichnen darf, sondern um das, was passiert, nachdem jemand das gemacht hat:

Eine grüne Bezirksrätin in der Brigittenau hat genau das gemacht. Vor einem Malta-Urlaub schrieb sie in einem Kommentar wortwörtlich: “Tschüss Österreich, du Arsch! Du hast jetzt eine Woche Zeit eine nettere Version von dir selbst zu werden.”

Diese satirische Wortmeldung kann man lustig finden, man auch kritisieren oder aber man macht daraus eine Riesen-Story, die in irrsinnigen teils rassistischen und sexistischen Beschimpfungen für die Betroffene mündet.

 

Bildschirmfoto 2018-03-06 um 12.43.54
Screenshot: www.krone.at

 

“Der nächste Parteiskandal”, titelt krone.at groß auf der Hauptseite des Internetportals, dazu gibt es sogar ein 30-sekündiges Video mit dramatischer Musik, das den Vorfall nacherzählt. Zuvor hatte schon das Gratisblatt Heute über das Posting berichtet, in dem die Bezirksrätin wortwörtlich als “Austro-Iranerin” bezeichnet wird:

 

28661276_10155765959718591_5539863738443453681_n
Scan: Zeitung Heute, 6. März 2018

 

Natürlich gingen diese weltbewegenden Enthüllungen auch an Heinz-Christian Strache nicht unbemerkt vorüber und so verbreitete er den Artikel auf seiner Facebook-Seite und beschwerte sich dort ordentlich über “das Niveau der Grünen”.

 

Bildschirmfoto 2018-03-06 um 16.04.49

 

Die Folge: Unzählige derbe, undemokratische und teils rassistische oder sexistische Kommentare, in denen etwa der Entzug der Staatsbürgerschaft, eine Abschiebung oder ein Streichung des Gehalts gefordert wird. Andere meinen, sie solle in den Iran gehen, wo sie “mundtot gemacht” oder, in Anbetracht solcher Kommentare, gar enthauptet würde. Auch rassistische Anspielungen auf ihren Vornamen oder andere auf ihre Herkunft abzielende Beleidigungen fallen immer wieder:

80 Jahre später – nichts gelernt

Besonders bemerkenswert ist ein Kommentar auf krone.at, in dem der Nutzer meint,  (nationalsozialistische) Wiederbetätigung sei weitaus schlimmer als das betreffende Posting und dafür eine Welle an an ablehnenden Negativ-Stimmen erhält:

Bildschirmfoto 2018-03-06 um 13.31.40
Screenshot: www.krone.at

Es zeigt eindrucksvoll, wie die Menschen mit rechter Gesinnung in Österreich ticken:
Dass eine sarkastisch gemeinte Missbilligung des eigenen Landes schlimmer eingestuft wird, als nationalsozialistische Wiederbetätigung, ist nicht einfach nur Patriotismus oder Heimatliebe, sondern purer Nationalismus.

Genau 80 Jahre nach dem sogenannten Anschluss Österreichs ist das schlicht beschämend, da es zeigt, wie wenig Sensibilität und Aufklärung zum Thema Nationalsozialismus in manchen Teilen der Bevölkerung vorhanden zu sein scheinen.

Dass sich eine solche Banalität überhaupt in manchen Medien wiederfindet, während rassistische, rechtsextreme oder gar nationalistische Kommentare und Vorfälle rechter Politiker kaum bis gar nicht thematisiert werden, ist im Jahr 2018 eine Schande. Überhaupt lassen KroneÖsterreich, und Heute des Öfteren ihre journalistische Sorgfaltspflicht vermissen und werden – völlig verdient – regelmäßig vom österreichischen Presserat gerügt.

 

Die Verantwortung des Vizekanzlers

Empörend ist auch, dass der Vizekanzler der Republik Österreich offenbar keine anderen politischen Inhalte hat, diese Allerweltsgeschichte aufgreift und damit Stimmung gegen die betroffene Person, aber auch gegen eine gesamte politische Partei macht. Die Krönung allen Übels ist jedoch, dass fremdenfeindliche, beleidigende und sexistische Kommentare völlig unmoderiert auf der Seite stehen bleiben, ohne zeitnah entfernt zu werden.

Auch hier fehlt die notwendige Sensibilität – oder es ist einfach gleichgültig.
Dabei wäre es seine Verantwortung, auf die Wortwahl seiner “Fans” zu achten und zu intervenieren, wenn diese, wie eigentlich immer, über die Stränge schlagen.

Stattdessen wird nichts unternommen, im Gegenteil: Mit dem bloßen Teilen solcher simplen Artikel schürt Strache Hass und Wut. Egal ob gegen den ORF, Geflüchtete oder – wie in diesem Fall – eine grüne Bezirksrätin.

Dass sich ausgerechnet der Vizekanzler eines Landes für das Aufstacheln und Instrumentalisieren von Menschen hergibt, ist traurig.

Sich mit dummen Banalitäten auseinanderzusetzen, die in einem ziemlich Shitstorm münden, den die Betroffene mit Sicherheit nicht verdient hat, verärgert und macht wütend. Denn es bringt dieses Land nicht weiter: Während etwa obdachlose Menschen noch vor wenigen Tagen auf Österreichs Straßen zu erfrieden drohten, Arbeitslose oft lange keinen Job finden und viele Kinder nach der Schule nicht sinnerfassend lesen und schreiben können, haben Boulevardmedien, Populisten und Demagonen leider andere Prioriäten.

Sie fördern den Unfrieden und säen Zwietracht. Auch das gibt es täglich in Österreich und dieses Österreich ist alles andere als großartig.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert