Wir alle sind heute in einem anderen Europa, einer anderen Welt aufgewacht, die zumindest meine Generation so bislang noch nicht (oder kaum) gekannt hat. Es sind dunkle Stunden.
Der feige, kriegerische und unprovozierte Angriff Russlands auf die Ukraine und die vielen Bürger*innen dieses Landes ist nicht zu rechtfertigen und auf das Allerschärfste zu verurteilen. Während ich diese Zahlen schreibe, sind (laut ukrainischen Angaben) bereits mindestens 57 Menschen in Folge des gewaltsamen Einmarsches in die Ukraine gestorben, knapp 200 Menschen wurden verletzt. Die traurige Befürchtung, dass in den nächsten Tagen noch mehr Opfer zu beklagen sein werden, haben wohl viele.
Meine Gedanken sind in diesen Stunden und Tagen bei den Menschen in der Ukraine, denen meine volle Solidarität gilt. Sie sind unverschuldet in diese Situation geraten und wie immer in Kriegen, ist es vor allem die Zivilbevölkerung, die unter den Auswirkungen solcher Aggressionen zu leiden hat. Besonders bitter in einem Land, das zu den ärmsten Europas zählt und seit vielen Jahren gegen die Übermacht seines östlichen Nachbars anzukämpfen hat.
Wir dürfen gerade heute nie vergessen: Die Ukraine ist ein europäisches Land, das uns nicht nur kulturell und historisch, sondern auch geografisch näher liegt, als viele glauben mögen. Der Westen der Ukraine ist von Wien aus schneller zu erreichen als Bregenz. Die Hauptstadt Kiew, die heute in dichte Rauchschwaden gehüllt ist, ist genauso weit entfernt, wie die romantischen Ufer der Seine in Paris.
Putins kriegerischer Einmarsch ist also auch ein Angriff auf Europa und das gemeinsame Friedensprojekt dieses Kontinents. Dieser Angriff betrifft uns alle und wir müssen wachsam bleiben:
Denn eines der ersten Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit, so auch diesmal. Noch bevor Russland heute Nacht seinen Einmarsch in die Ukraine gestartet hat, veröffentlichte der Kreml ein aufgezeichnetes Video, in dem Putin von einem ukrainischen “Genozid” sprach und seinen Angriff mit dem Ziel begründete, die Ukraine zu “entnazifizieren”. Nicht nur in den russischen Staatsmedien, auch auf sozialen Netzwerken und Messenger-Diensten finden sich allerlei Fake-News.
Was es jetzt braucht, ist eine entschiedene Antwort: Österreich und andere europäische Länder müssen jetzt mit allen zur Verfügung stehenden politischen Mitteln gegen dieses Vorgehen auftreten und harte, nie dagewesene Sanktionen auferlegen – selbst dann, wenn diese einen eigenen wirtschaftlichen Nachteil zur Folge haben. Doch leider bröckelt die europäische Einigkeit schon am Tag 1 dieses Militärschlages. Denn während sich zahlreiche Länder dafür aussprechen, Russland aus dem weltweiten Zahlungssystem SWIFT auszuschließen und damit den internationalen Handel de facto zum Erliegen zu bringen, sind es Deutschland, Italien und – ausgerechnet – Österreich, die diese Maßnahme boykottieren, so berichten es zumindest die New York Times und der britische Guardian. Es ist bedauerlich, sollte man doch meinen, dass der Westen aus den Fehlern der vergangenen Jahre gelernt haben sollte. Wenn es um Menschenleben, um die Freiheit, um Frieden geht, dürfen wirtschaftliche Interessen niemals im Vordergrund stehen.
Ungeachtet der Sanktionen muss Österreich den vielen Ukrainer*innen, die sich im Land aufhalten oder inzwischen auf der Flucht sind, unverzüglich und bedingungslos humanitäre Hilfe sowie nachbarschaftliche Unterstützung zukommen lassen, wo immer das möglich ist. Eine Differenzierung in “gute ” und “schlechte” Flüchtlinge, wie das etwa in der Vergangenheit bei anderen Krisenherden passiert ist, ist menschenunwürdig und darf nie wieder geschehen.
Denn letztlich eint uns alle der Wunsch, in Frieden zu leben – das gilt auch für die Menschen in der Ukraine. Krieg kann niemals eine Lösung sein.